Fragen an die Publix-Residents: Lie Detectors
In jeder Newsletter-Ausgabe stellen wir eine Organisation vor, die im Publix-Haus ihr Büro bezieht. Diesmal: das Team von Lie Detectors.
Was ist der Kern Eurer Arbeit?
Wir vermitteln Medienkompetenz. Als unabhängige Organisation kämpfen wir gegen die demokratiezersetzenden Auswirkungen von Online-Polarisierung und Desinformation in Europa. Wir befähigen junge Menschen und Lehrkräfte, Fakten von Fiktion und Meinungen im Internet zu unterscheiden und zu verstehen, wie professioneller Journalismus funktioniert.
Wie macht Ihr das?
Wir arbeiten dafür mit mehr als 300 Journalist:innen und Redaktionen in ganz Europa zusammen. Die Ergebnisse bringen wir in Beratungsgremien und Entscheidungsprozesse ein. Vor allem setzen wir uns für eine intelligente Politik in den Bereichen Bildung und digitale Rechte ein. In Deutschland zum Beispiel mit dem von uns mitbegründeten Verein „Journalismus macht Schule“, dessen Vorsitz wir innehaben und der ebenfalls Teil von PUBLIX ist.
Woher kommt das Geld dafür?
Wir werden hauptsächlich von der Wyss-Stiftung finanziert, und unsere Arbeit in den Klassenzimmern ist kostenlos. Einige unserer Projekte werden von der EU finanziert. Wir nehmen aber keine Gelder von politischen Parteien oder Internetplattformen an.
Wo liegen die Schwerpunkte Eurer Arbeit?
Wir besuchen inzwischen jedes Jahr mehr als 1.000 Klassenzimmer. Wir bilden mehr Lehrkräfte aus und konzentrieren uns zunehmend auf Mittel- und Osteuropa. Mit Expert:innen aus den Bereichen Kognitionspsychologie und Neurologie wollen wir stärker zusammenarbeiten, um zum Beispiel die Algorithmen besser angehen zu können, die die Integrität unserer vielen Informationsräume beeinflussen.
Wofür setzt ihr Euch mit Eurem Engagement ein?
Wir wollen durch den direkten Dialog zwischen Schulen und Medienschaffenden das Vertrauen in den Qualitätsjournalismus nachhaltig stärken. Unser langfristiges Ziel ist es, dass kritische Medienkompetenz international als Kernkompetenz neben Lesen, Schreiben und Rechnen anerkannt wird. Und dass sie deshalb als ein grundlegendes Bildungsrecht angesehen wird. Das entspricht auch den Überlegungen der UNESCO und der OECD. Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass die notwendigen Schritte zur Bekämpfung von Polarisierung und Desinformation unternommen werden und die großen Online-Plattformen in die Pflicht genommen werden.
Was bereitet Euch Kopfzerbrechen?
Wir denken sehr intensiv darüber nach, wie wir Lehrkräfte und junge Menschen zu Multiplikator:innen für einen differenzierteren Umgang mit der Online-Informationswelt machen können. Unser Ansatz ist ja keine Raketenwissenschaft. Und: Wie können wir politische Entscheidungsträger:innen davon überzeugen, mehr Ressourcen in eine Infrastruktur für kritische Medienkompetenz zu investieren?
Erzählt mal von Eurem größten Erfolg der letzten Monate.
Wir dürfen jedes Jahr mit Tausenden von Jugendlichen und Lehrpersonen zusammenzuarbeiten und haben kürzlich unseren fünftausendsten Klassenbesuch durchgeführt. Jeder Besuch ist ein kleiner Sieg. Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren sind für unsere Botschaft empfänglich: dass man sich mit dem eigenen Verstand gegen Desinformation wehren kann. Sie lernen auch, dass es sinnvoll ist, nach hochwertigen, faktenbasierten Informationen zu suchen, wenn wir uns ein Bild von der Welt machen. Wir haben vor Kurzem erfahren, dass wir an mehreren neuen Gruppierungen zur Förderung der Medienkompetenz in Europa beteiligt sein werden, und das ist ein Erfolg.
Was sollten wir uns aktuell unbedingt anschauen oder anhören?
Alles, was die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff schreibt. Und die Ergebnisse der Polarisierungsforschung, die zur Zeit von Wissenschaftler:innen wie Stephan Lewandowsky (über Klimaskepsis) und Sander van der Linden (über Polarisierung) veröffentlicht werden. Und natürlich der Podcast "Doppelstunde" von unserem "Journalismus macht Schule"-Schatzmeister Florian Nuxoll, der auch Lehrkraft ist.